Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,


erlauben Sie mir nach gut vier Jahren im Amt als Stadtrat und 3. Bürgermeister einer ländlichen Kommune einige Zeilen, mit denen ich meine Sorgen um die Zukunft kleiner ländlicher Gemeinden und speziell meiner Stadt zum Ausdruck bringen möchte. Ich muss auf einige Mechanismen hinweisen, die in unserem Bundesland nicht mehr passen und die kommunale Selbstverwaltung gefährden bzw. ad absurdum führen.


Treuchtlingen hat mit einer ganzen Reihe von Umständen zu kämpfen, die die Finanzierbarkeit der Stadt mit den herkömmlichen Ansätzen nicht mehr gewährleistet. Mit über 100 qkm Fläche (die Großstadt Nürnberg hat rd. 180 qkm, nur als Vergleich) und nicht weniger als 54 Gemeindeteilen bei rund 13.000 Einwohnern machen schon diese Zahlen deutlich, welche Herausforderungen in Sachen Infrastruktur (Straßen, Brücken, Ver- und Entsorgungsleitungen etc.) zu meistern sind. Hinzu kommt eine ausgesprochen schwierige Topographie mit vielen Taleinschnitten, der Altmühl samt Nebengewässern und auch noch zwei Bahnlinien. Daraus resultiert, dass zum einen knapp 200 Brücken und Gewässerdurchlässe zu unterhalten und zum anderen aus topgraphischen Gründen kaum Gewerbeansiedlungen möglich sind.


Mit den herkömmlichen Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich sind diese Herausforderungen nicht zu meistern. Deshalb rutscht unsere Kommune immer weiter in die Verschuldung. Natürlich spielt dabei auch das einst staatlich geförderte Thermalbad, das eine ganze Region mit seinem Angebot versorgt, eine Rolle. Es ist aber nicht die Hauptrolle.


Insofern appelliere ich an die Landespolitik, beim Finanzausgleich nachzuschärfen und besondere Gegebenheiten, wie die in Treuchtlingen, grundsätzlich mit zusätzlichen Finanzmitteln zu berücksichtigen. Treuchtlingen muss derzeit einen Konsolidierungskurs fahren, um überhaupt noch handlungsfähig zu bleiben – übrigens im parteiübergreifenden Konsens. Das bedeutet weitere Einschränkungen in der kommunalen Handlungsfähigkeit und gleichzeitig die Gefährdung des sozialen Zusammenhalts.


Hierbei bin ich an einem besonderen Punkt: Im Ratsgremium und in der Bürgerschaft hat man mittlerweile Probleme, wenn man den Begriff „Fördermittel“ nur hört – auf gut Deutsch „man bekommt Pickel“. Bürgermeisterin, Stadtrat und Verwaltung bemühen sich seit Jahren, alle Fördertöpfe anzuzapfen, die sich auftun. Allerdings geht dies ein großes Stück einher mit dem Verlust der Selbstbestimmung. In vielen Bereichen fühlen sich Räte und Bürger von übergeordneten Stellen gegängelt.
Ein konkretes Beispiel: Angesichts steigender Kinderzahlen (hauptsächlich durch Migration begründet) wird der Platz in der Grundschule knapp. Bis vor wenigen Jahren war die Schule auf vier Standorte (3 in Dörfern) verteilt. Es war ein bewährtes System. Vor knapp zehn Jahren wurde ein Standort geschlossen, da damals die Schülerzahlen zurückgingen. Diesen Standort wollte die Stadt angesichts des aktuellen Bedarfs reaktivieren, auch um Infrastruktur in den Dörfern zu halten, graue Energie zu sparen und einfach pragmatisch zu handeln. Allein die Regierung von Mittelfranken verweigerte diesem pragmatischen Ansatz die Fördermittel und besteht darauf, an den Hauptstandorten zu investieren. Was hat das mit kommunaler Selbstbestimmung zu tun? Allein zu diesem Thema und den sozialpolitischen Folgen könnte man eine eigene Abhandlung schreiben.


Das ist aber nur ein Beispiel. Weitere Beispiele sind die vielen Fördermittel, die in Coronazeiten z.B. zur Belebung von Innenstädten verteilt wurden. Auch diese hat Treuchtlingen intensiv genutzt. Leider durften diese fast ausschließlich für Konzepte genutzt werden. Was allerdings helfen die Konzepte, wenn danach für die Umsetzung die Mittel fehlen? Auch hier ein konkretes Beispiel: Durch die Treuchtlingen Stadtmitte führen mehrere Staatsstraßen, die die Stadtentwicklung blockieren. Seit Jahrzehnten sucht man nach einer Lösung, die allerdings angesichts der beschriebenen topographischen Lage schwierig ist. Das staatliche Bauamt verlangte von Treuchtlingen ein Verkehrskonzept. Vorher wollte man nicht einmal mehr mit der Stadt reden. Also wieder eine Analyse samt Konzept, und wieder werden in der Folge aller Voraussicht nach die Mittel für die Umsetzung fehlen.


Und nicht zuletzt ist die staatliche Zahlungsmoral nach gewährten Förderzusagen auch noch mangelhaft. So z.B. muss unsere Stadt bei Kanalbaumaßnahmen regelmäßig Jahre auf die Fördermittel (RZWas) warten und diese vorfinanzieren.
Dann hat die Stadt an allen Ecken und Enden mit unendlich vielen Bürokratismen zu kämpfen und regelrecht sturen Institutionen wie der Bahn AG. Einst war die Bahn dafür verantwortlich, dass Treuchtlingen ein aufstrebender Ort war, heute ist es eher das Gegenteil. Aus der näheren Region kommen die Menschen zum ICE-Halt nach Treuchtlingen. Wer soll die Parkplätze für Autos und Fahrräder vorhalten, wer die Toiletten? Die Stadt Treuchtlingen. Wenn Unterfahrungen der Bahn saniert werden und Querschnitte aus der Vor- oder Nachkriegszeit den heutigen Gegebenheiten angepasst werden müssen: Wer zahlt einen großen Anteil davon? Die Stadt Treuchtlingen. Für derlei Dinge gibt es keinen Kostenersatz. Und die Bahn zeigt keinerlei Verständnis für die Bedürfnisse der Kommune.


Sie lesen sicher großen Frust aus diesen Zeilen. Der ist tatsächlich vorhanden, auch weil bekanntlich die Stimmung in der Bevölkerung nicht besser wird und man angesichts der vorgeschilderten Lage als Kommunalpolitiker kaum Chancen hat, den Wünschen der Bevölkerung und berechtigten Bedürfnissen zu entsprechen.


Insofern würde ich mich sehr freuen, wenn diese Zeilen auf offene Ohren stoßen und es für unsere Stadt und andere, ähnlich belastete ländliche Kommunen in Bayern neue finanzielle Ansätze gibt, damit die kommunalen Aufgaben abgearbeitet werden können und die kommunale Selbstverwaltung nicht vollends in die Tonne wandert.


Vielen Dank für das geduldige Lesen und hoffentlich Ihr Verständnis.

Hubert Stanka, 3. Bürgermeister Stadt Treuchtlingen

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